Forschungsfelder
Vier Exzellenzcluster sowie 16 Sonderforschungsbereiche, 19 DFG- Forschungsgruppen und 35 DFG-Schwerpunktprogramme – die die Universität selbst oder als Beteiligte im Jahr 2019 durchführt – zeugen von einem außerordentlich vielfältigen Forschungsprofil. Es ist geprägt durch die fünf Forschungsschwerpunkte „Klima, Erde, Umwelt“, „Photonen- und Nanowissenschaften“, „Teilchen-, Astro- und Mathematische Physik“, „Manuskriptforschung“ und „Infektionsforschung“.
Wissenschaft und Forschung spielten in Hamburg mit den Wissenschaftlichen Anstalten und dem Kolonialinstitut schon vor Universitätsgründung eine Rolle. Für diese Institutionen konnte die Stadt namhafte Forscher gewinnen – nicht zuletzt dank der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, die damals Professuren finanziell unterstützte. Auch die neue Universität zog schon im ersten Jahrzehnt brillante Köpfe an, konzentriert in der Physik, aber auch in anderen Fachgebieten.
Otto Stern und die Hamburger Physik der 20er Jahre
In den 1920er Jahren entwickelte sich die Hamburgische Universität zu einem weltweit anerkannten Zentrum der Physik. In dessen Mittelpunkt stand Otto Stern, der zwischen 1923 und 1933 das Institut für physikalische Chemie aufbaute. Mit seinen Pionierarbeiten auf dem Gebiet der Atom-, Molekül- und Kernphysik erwarb er höchstes Ansehen und erhielt 1943 den Nobelpreis. Stern zog Forscher aus aller Welt nach Hamburg. Mit Wolfgang Pauli, Isidor Rabi, Emilio Segrè und Hans Jensen forschten dort weitere künftige Nobelpreisträger. 1933 endete diese Hochphase, denn als Jude von der Entlassung bedroht, emigrierte Otto Stern in die USA.Exzellent!
Im Juli 2019 wurde entschieden, dass die Universität als eine von elf Gewinnerinnen aus der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder hervorgeht und den Titel „Exzellenzuniversität“ trägt. Sie gehört damit, bestätigt durch den Wissenschaftsrat, zu den forschungsstarken Spitzenuniversitäten Deutschlands. Mit ihrem Konzept der „Flagship University“ betreibt die Universität innovative und kooperative Forschung in der Metropolregion Hamburg. Sie produziert national und international die zukunftsgerichteten gesellschaftlichen Güter Erkenntnis, Bildung und Austausch von Wissen unter dem Leitziel der Nachhaltigkeit.Otto Stern (1888 – 1969) in Hamburg
Otto Stern kam 1923 nach Hamburg. Als Ordinarius für physikalische Chemie erhielt er dort ein eigenes Institut. Ihm gelang es, ein Labor mit Weltruf aufzubauen. Mit seinen Kollegen von den benachbarten Instituten für theoretische und angewandte Physik machte Stern Hamburg zu einem der weltweit führenden Zentren für Physik.Teamarbeit
Otto Stern formte aus seinen Assistenten, ausländischen Fellows und Studenten eine sehr erfolgreiche Arbeitsgruppe. Dennoch wurde diese 1933 zerschlagen, als die Universität seine drei Assistenten wegen ihrer jüdischen Herkunft entließ. Mit der Auflösung der Gruppe und Sterns Rückzug war eine der fruchtbarsten Perioden der Physik in Hamburg beendet.Engagement in der Hochschulpolitik
Otto Stern war an der Hamburgischen Universität hoch angesehen. 1930/31 war er Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, in den darauffolgenden Semestern Mitglied des Universitätssenats.Nobelpreis für Otto Stern
Rückwirkend für 1943 erhielt Otto Stern 1944 den Nobelpreis für Physik „für seinen Beitrag zur Molekularstrahlmethode und die Entdeckung des magnetischen Moments des Protons“. Seit 1925 hatten seine Kollegen – darunter Albert Einstein, Niels Bohr oder Max Planck – ihn bereits 81 Mal für den Preis nominiert.Hamburger Schmiede für Nobelpreisträger
Gleichzeitig mit Stern wurde Isidor Rabi der Nobelpreis für Physik des Jahres 1944 übergeben. Er hatte als Fellow in Hamburg mit Stern zusammengearbeitet. In den 1920er Jahren war Hamburg ein Anziehungspunkt für junge Physiker aus aller Welt. Einige von ihnen – W. Pauli, E. Segré und H. Jensen – sollten später ebenfalls den Nobelpreis erhalten.Wolfgang Pauli
Wolfgang Pauli kam 1923 als Assistent nach Hamburg und wurde 1926 auf eine Professur berufen. Seine Jahre in Hamburg bis 1928 gehörten zu den fruchtbarsten seines Lebens. Er entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Theoretiker der neuen Quantenphysik und entdeckte das sogenannte Pauli-Prinzip, für das er 1945 mit dem Nobelpreis geehrt wurde.Freunde und Kollegen
Obwohl Pauli der Theoretischen Physik angehörte und Stern am Institut für Physikalische Chemie experimentell arbeitete, inspirierten sie sich gegenseitig in ihrer Arbeit. Wie von Pauli überliefert, verband die beiden auch eine lebenslange private Freundschaft: „… unter dem Einfluss von Stern [wechselte ich] direkt vom Mineralwasser zum Champagner.“Freundschaftsdienste
Nach seiner Auswanderung in die USA unterstützte Otto Stern andere Emigranten. Seine Hilfsbereitschaft erstreckte sich nach 1945 aber auch auf frühere deutsche Kollegen. So schickte er Care-Pakete an Hans Jensen – Nobelpreisträger für Physik 1963 –, der 1932 Assistent in Hamburg war. Daraus entwickelte sich ein Briefwechsel.Sterns experimentelle Arbeit
Sterns Untersuchungsmethoden galten als genial. An einem heute am Institut für Physikalische Chemie ausgestellten Magneten führte er Experimente zur Entwicklung der Molekularstrahltechnologie durch. Die Statik des Ausstellungsraums erlaubte es nicht, den Originalmagneten mit seinem Gewicht von rund 400 Kilogramm hier zu zeigen.Die Welleneigenschaften der Materie
Stern entwickelte mit seiner Molekularstrahlmethode eine Messmethode, mit der die inneren Eigenschaften von Atomen und Molekülen erforscht werden konnten. Damit gelang ihm der Nachweis, dass auch Atom- und Molekularstrahlen Welleneigenschaften besitzen. Er trug so dazu bei, das Welle-Teilchen-Konzept der damals noch jungen Quantenphysik zu bestätigen.Entlassung aus dem Staatsdienst
Otto Stern kam seinem Ausschluss, der ihm als Jude drohte, zuvor. Mit einem Telegramm bat er 1933 um seine Entlassung aus dem Staatsdienst. Er wanderte in die USA aus, wo er am Carnegie Institute of Technology in Pittsburgh eine Professur annahm. An seine Hamburger Erfolge konnte er dort jedoch nicht mehr anknüpfen.Exzellenzcluster CUI: Advanced Imaging of Matter
Im Exzellenzcluster der Photonen- und Nanowissenschaften arbeiten 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Physik, Chemie und Strukturbiologie. Sie „beobachten, verstehen und kontrollieren“ Atome und Moleküle, um herauszufinden, welche Prinzipien sich hinter der Entstehung bestimmter Eigenschaften verbergen.Exzellenzcluster: Climate, Climatic Change, and Society (CliCCS)
Rund 210 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus mehr als 15 naturwissenschaftlichen sowie wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen arbeiten im Exzellenzcluster Climate, Climatic Change, and Society zusammen. Sie beschäftigen sich mit Fragestellungen zur Zukunft des Klimas und den Wechselwirkungen von Klimawandel und Gesellschaft.Exzellenzcluster: Understanding Written Artefacts
Derzeit erforschen ca. 130 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Geistes- und Naturwissenschaften Gebrauch und Funktionen von Schriftartefakten sowie ihre materiellen Schriftträger, von Manuskripten bis zu Inschriften und Graffiti. Im Zentrum steht die weltweite kulturelle Vielfalt von den Anfängen der Schriftkultur bis heute.Exzellenzcluster: Quantum Universe
Was ist Dunkle Materie? Was lernen wir von Gravitationswellen über den Urknall? Viele Fragen um den Ursprung und die Entwicklung des Universums sind noch offen. Mehr als 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Physik und Mathematik arbeiten daher gemeinsam an neuen Antworten aus der Kosmologie, Teilchenphysik und Quantentheorie.Forschung für Frieden und Demokratie
1923 wurde in Hamburg das „Institut für Auswärtige Politik“ gegründet. Es gehörte weltweit zu den Vorreitern der interdisziplinären Friedens- und Kriegsursachenforschung. Der Leiter des Instituts, Albrecht Mendelssohn Bartholdy (1874 – 1936), vertrat seit 1920 an der juristischen Fakultät der Universität den Lehrstuhl für Zivilrecht, Auslandsrecht und Internationales Privat- und Prozessrecht. Aufgrund seiner Leistungen als Völkerrechtsexperte wurde er 1925 zum Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag ernannt. 1931 wurde er deutscher Delegierter des Völkerbundes. 1933 erfolgte Mendelssohn Bartholdys Zwangsemeritierung.Betriebswirtschaftslehre: Forschung und Praxis
Der erste Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre wurde 1927 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg eingerichtet. Mit Curt Eisfeld (1886 – 1969) vertrat ihn ein Praktiker, der erst nach mehrjähriger kaufmännischer Tätigkeit die akademische Laufbahn eingeschlagen hatte. Eisfelds Hauptarbeitsfeld bildete bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1951 die Bank- und Versicherungsbetriebslehre. Er initiierte maßgeblich den Aufbau des Studiengangs und die Prüfungsordnung zum Diplom-Kaufmann. Eine umfangreiche Nachlass-Bibliothek zeugt von Eisfelds Vielschichtigkeit in Forschung und Lehre.Ernst Cassirer (1874 – 1945)
Cassirer zählt zu den einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. 1919 wurde er Ordinarius an der Philosophischen Fakultät der Universität Hamburg und im Amtsjahr 1929/30 ihr Rektor. Hier schuf er mit seinem dreibändigen Werk „Philosophie der symbolischen Formen“ eine Kulturphilosophie, die ihren Blick auf die vielfältigen Wege der Menschen zur Erfassung der Welt richtete. Cassirer stand im regen Austausch mit dem Kulturwissenschaftler und Privatgelehrten Aby Warburg. Als überzeugter Demokrat verteidigte Cassirer in Vorträgen und wissenschaftlichen Arbeiten die Werte der Freiheit und Vernunft. Nach seiner Entlassung 1933 ging er ins Exil.Der Weg zum europäischen Denken
Die Entstehung des europäischen Denkens begann bei den Griechen und zeigte sich im Wandel von Wortbedeutungen: Dieser Frage ging am Lehrstuhl für Klassische Philologie Bruno Snell (1896 – 1986), einer der bedeutendsten Gräzisten des 20. Jahrhunderts nach. Snell wirkte an der Hamburger Universität als Ordinarius von 1931 bis zu seiner Emeritierung 1959, trotz seiner regimekritischen Haltung im Nationalsozialismus. Als Rektor bemühte sich Bruno Snell 1951 bis 1953 um den internationalen Wiederanschluss der Universität. Er initiierte nach Kriegsende das Archiv für griechische Lexikografie und gründete 1955 das Europa-Kolleg.Kriegsschuld: die Fischer-Kontroverse
In seiner 1961 erschienenen Studie „Griff nach der Weltmacht“ interpretierte der Hamburger Historiker Fritz Fischer (1908 – 1999) den Anteil der deutschen Reichsleitung am Ausbruch des Ersten Weltkrieges neu. Das Kaiserreich sei in den Krieg nicht „hineingeschlittert“, sondern hätte ihn absichtlich heraufbeschworen und weitreichende Kriegsziele verfolgt. Fischers Thesen lösten unter Historikern heftige öffentlich geführte Debatten um die deutsche Kriegsschuld und um Kontinuitäten vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg aus. Die Kontroverse führte zu intensiven Forschungen über die Ursachen des Ersten Weltkrieges.Meteorologie: Mehr als Wissen vom Wetter und Klima
Schon vor der Gründung des Meteorologischen Institutes im Jahr 1929 hielt unter anderem der Polarforscher Alfred Wegener an der Hamburger Universität Vorlesungen. Aus den kleinen Anfängen entwickelte sich das Institut zu einem der heute größten deutschen Universitätsinstitute für Klimatologie und Wetterkunde. Das Institut pflegt eine lange Tradition der interdisziplinären Ausrichtung und engen Kooperation mit externen Forschungseinrichtungen. Ein Schwerpunkt der anwendungsorientierten Forschung lag seit jeher auf der Maritimen Meteorologie. Seit den 1980er Jahren hat die Ursachenforschung für Umweltschäden zunehmende Bedeutung gewonnen.Entwicklungsschritte der modernen Kriminologie1
Der erste Ordinarius auf dem 1919 geschaffenen Lehrstuhl für Straf-, Gerichtsverfassungs- und Prozessrecht in Hamburg, Moritz Liepmann (1869 – 1928), gilt als Begründer der modernen Kriminologie. Sein Konzept eines reformierten Jugendstrafvollzugs stützte sich auf neue pädagogische Leitlinien. Der Psychologe und Sozialforscher Curt Bondy (1894 – 1972), der bei Liepmann habilitiert wurde, führte bis zu seinem erzwungenen Exil die Reformansätze weiter. Eine Neuausrichtung der Kriminologie als kriminologische Sozialforschung erfolgte 1984 an der Hamburger Universität durch den Soziologen Fritz Sack (geb. 1931).Pascual Jordan und die Theoretische Physik
Der 1926 in Göttingen habilitierte Physiker Pascual Jordan (1902 – 1980) entwickelte in den 1920er Jahren gemeinsam mit Max Born und Werner Heisenberg die Grundlagen der Quantenmechanik. 1928 bis 1929 wirkte er als Privatdozent an der Universität Hamburg. Nach seiner „Entnazifizierung“ besetzte Jordan hier von 1947 bis 1953 eine Gastprofessur am physikalischen Staatsinstitut, die 1953 in ein reguläres Ordinariat umgewandelt wurde. Bis zu seiner Emeritierung 1970 entwickelte sich das Institut aufgrund seiner Forschungen über Relativitätstheorie und Gravitationsphysik zu einer bedeutenden Schule der theoretischen Physik.Politik als Wissenschaft
Der erste Versuch im 20. Jahrhundert an einer deutschen Universität für das Fach „Politik“ habilitiert zu werden, wurde 1927 in Hamburg von Siegfried Landshut (1897 – 1968) unternommen, jedoch ohne Erfolg. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil übernahm Landshut 1951 für vierzehn Jahre den ersten Hamburger Lehrstuhl für die „Wissenschaft von der Politik“. Sein wissenschaftliches Interesse galt dem Frühwerk von Karl Marx, das er als Herausgeber einem größeren Publikum zugänglich machte. Eine zentrale Rolle im Denken Landshuts spielte die Frage nach den Möglichkeiten gerechter politischer Ordnung im Spannungsfeld von Freiheit, Gleichheit und Herrschaft.Das psychologische Laboratorium
Als einer der Hauptinitiatoren der Universitätsgründung übernahm William Stern (1871 – 1938) 1916 die Leitung des Seminars für Philosophie und des „Psychologischen Laboratoriums“, das in der Weimarer Republik eine Art Schrittmacherfunktion einnahm. Stern begründete die Differentielle Psychologie und gilt als Erfinder des Intelligenzquotienten. Neben Sterns eigenen Forschungen zur Entwicklungspsychologie waren auch die Arbeiten seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter Curt Bondy, Heinz Werner und Martha Muchow wegweisend. Ihre anwendungsorientierten Forschungsansätze verknüpften Geistes-, Sozial- und Biowissenschaften.… Mehr Forschung
An der Hamburger Universität forschen heute über 4400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in vielen Disziplinen. Betrachtet man die letzten 100 Jahre, so haben viele von ihnen Bahnbrechendes in ihren Fächern geleistet und internationales Ansehen gewonnen. Herausragende Wissenschaft gab es in allen Jahrzehnten des Bestehens der Universität – einen Einbruch in den Jahren 1933 bis 1945. Die Nationalsozialisten vertrieben Persönlichkeiten wie Ernst Cassirer, William Stern oder Albrecht Mendelssohn Bartholdy und schickten eine ganze Generation wissenschaftlichen Nachwuchses in den Krieg.
Legendär war 1968 sein öffentlicher Schlagabtausch mit dem „Studentenführer“ Rudi Dutschke. Auf einer Podiumsdiskussion im Audimax trafen im November 1967 Ralf Dahrendorf und Studentenführer Rudi Dutschke aufeinander.